Samstag, 1. April 2017




Deutschland, Quedlinburg (Sachsen-Anhalt):
Ehemaliges Damenstift St. Servatius, 
von 1070 bis 1129 erbaut




Das ehemalige Stift,
das den Heiligen Dionysius und Servatius geweiht ist, ...



... ist, wenn man nach Quedlinburg fährt, ...



... von allen Seiten bereits weithin sichtbar.



Die flachgedeckte dreischiffige Basilika
ist ein Denkmal hochromanischer Baukunst
und war die Kirche des Quedlinburger Damenstiftes.



In den ehemaligen Stiftsgebäuden sind heute
ein Teil des Museums sowie Verwaltungsgebäude untergebracht.



Doch ehe wir das Stift, ...



... das auf einem Sandsteinfelsen thront, erklimmen, ...



... erst noch ein Spaziergang um den Schlossberg.



Bei der umfassenden Restaurierung 1863 - 1882
erhielt die Kirche zwei neuromanische Türme mit spitzen Turmspitzen,
die damals stilwidrig mit rheinischen Helmen versehen wurden.



Nach der Beschädigung der Turmhelme
durch Artilleriebeschuss am 17. April 1945
wurden die Türme 1946 -1948 wiederhergestellt, ...



... jedoch mit dem romanischen Stil angepassten
niedrigen Zeltdächern.



Auf den mächtigen Mauern an der Nordostseite ...



... befinden sich hübsche Fachwerkhäuser.



Von hier hat man eine tolle Aussicht über die Stadt.



Ehe man zur ehemaligen Stiftskirche gelangt, ...



... kann man noch die schönen Gärten davor besichtigen.



Hier ein altes Kapitell, wohl aus einem
der drei Vorgängerbauten der heutigen Basilika.



Als erstes bekommt man bis den 1320 erbauten
gotischen Hochchor zu Gesicht.



Die beiden zweistöckigen Apsiden an den Querhausarmen
sind aber erhalten geblieben.


 

Hier die südliche davon, ...



... die wie die südliche Langhausseite
relativ frisch renoviert wirkt.



Hinter diesem runden Fenster mit Gitterschutz
befindet sich noch ein romanisches Fenster,
das zur Krypta gehört.



Die hohen gotischen Fenster sind heute innen blind,
also nicht mehr in Verwendung.



Von dieser Seite des Schlossbergs ...



... hat man auch eine gute Sicht auf die Wipertikirche.



An der Nordseite von St. Servatius wird der
Eindruck einer romanischen Basilika am deutlichsten.




Der Westriegel mit den beiden Türmen
ist allerdings erst im 19. Jhdt. erbaut worden.



Hier das Nordportal, ...



... dessen Türklinke in Form eines Schweinehundes gestaltet ist
und wie zahlreiche ähnliche Messingarbeiten in der Gegend
wahrscheinlich vom zeitgenössischen Künstler Heinrich Appel stammt.




Im Nordturm hängt das Geläut aus fünf Kirchenglocken,
der Südturm hatte früher an drei Seiten eine Uhr,
jedoch aus statischen Gründen nie Läute-Glocken.




Hier der Grundriss der Kirche.



Das Mittelschiff wird abwechselnd
von je zwei Säulen und einem Pfeiler, ...



... im so genannten niedersächsischen Stützenwechsel,
von den Seitenschiffen getrennt.



Im Westen ist noch die Empore 
für die damaligen Stiftsdamen erhalten.



Die heutige Orgel mit ihren 1994 Pfeifen wurde,
nachdem die Vorgängerorgel aufgrund
von Feuchtigkeitsschäden nicht mehr zu erhalten war,
1971 auf der Südseite im hohen Chor eingebaut.



Zum Osterfest 2006 kam das moderne Kreuz in die Stiftskirche,
das vom Künstler Thomas Leu aus Aluminium geschaffen wurde.



Dieses Triumphkreuz soll die Verbindung des Jesus am Kreuz ...



... mit der sich auflösenden Gestalt ...



... des aufstrebenden und auferstandenen Christus darstellen.



Der Hohe Chor wurde 1320 im gotischen Stil umgebaut,
doch 1938 -1940 erfolgte
die „Wiederherstellung“ des romanischen Chors.

 Altar, Kanzel und Gestühl wurden entfernt
und das gotische Chorgewölbe zerstört,
um eine neue pseudo-romanische Apsis zu errichten.



Nur das Altarbild aus der Gotik scheint erhalten.



Die Basilika ist wie früher üblich
flach mit einer schlichten Holzdecke eingedeckt.



Hinter diesen Chorschranken in beiden Querhäusern
wurde auf beiden Seiten je eine Domschatzkammer eingerichtet.



In diesen zwei Kammern wird der Quedlinburger Domschatz ausgestellt,
wobei es sich um einen der bedeutendsten Schätze Deutschlands handelt,
der noch dazu fast ausschließlich romanischen Zeiten entstammt.



Der südliche Raum wurde erst
Anfang der 1990er Jahre als Ausstellungsraum eingerichtet.

Hier befindet sich in der Mitte der Reliquienschrein der Hl. Corona,
deren Gedenktag am 14. Mai gefeiert wird.

Große Teile des Domschatzes wurden
dem Quedlinburger Damenstift von den Ottonen geschenkt,
da die Damen des Stiftes die Memoria für die ottonische Familie abhielten.



Das Wiperti-Evangelistar ist eine Handschrift von 1513
und mit goldenen Schmuckverzierungen versehen.

Benannt ist es nach dem früheren Aufbewahrungsort
im ehemaligen Wipertikloster.



Die kostbareren Stücke des Domschatzes 
sind allerdings in der nördlichen Seitenkammer ausgestellt, ...



... deren Gewölbe von Säulen ...



... mit einmalig verzierten Kapitellen getragen wird.



Das älteste Stück hier stellt der Kana-Krug aus dem 1. Jhdt. dar.

Der aus Alabaster gefertigte Krug ist als Reliquie
durch Otto I. nach Quedlinburg gekommen
und erinnert an die biblische Geschichte der Hochzeit zu Kana.



Das Samuhel-Evangeliar, benannt nach seinem Hauptschreiber,
ist eine aus 191 Pergamentseiten bestehende Prachthandschrift
karolingischer Buchkunst mit Goldtinte.

Der Prachteinband von 1225 / 1230 ist aus Gold
und zeigt unterhalb der Mariendarstellung
die beiden Patrone der Kirche Servatius und Dionysius.



Der Reliquienkasten Heinrichs I. entstand zur selben Zeit:

Den Deckel und die Seiten schmücken allerdings
Elfenbeinschnitzereien aus dem 10. Jhdt.,
während die zwölf sitzenden Apostel auf Vorder- und Rückseite
im 11. Jhdt. aus Walrosszahn hergestellt wurden.



Das Servatiusreliquiar besteht aus einem Elfenbeinkasten,
der mit Goldfiligranarbeiten verziert ist.

Der Elfenbeinkasten entstand höchstwahrscheinlich um 870
am Hofe Karl des Kahlen im Westfränkischen Reich
und zeigt Jesus im Gespräch mit 11 seiner Apostel,
Judas wurde ausgelassen.

Die Vorderseite ziert ein Amethyst
in Form des Kopfes des Hl. Dionysius.



Der Katharinenschrein stammt von 1230 / 1240,
seine vollständige Goldverzierung stellt
ein hohes Maß künstlerischen Könnens dar.



Der Heinrichskamm ist ein aus Elfenbein gearbeiteter Schmuckkamm
aus dem 7. oder 8. Jhdt. aus Syrien oder Ägypten.

Die Verzierungen aus Goldelementen stammen aus dem 9. - 10. Jhdt.
und stellen zwei voneinander abgewandte Pferdehälse dar,
deren Pferdeköpfe nicht mehr erhalten sind.



Hier ein Bergkristallgefäß mit Reliquien.

Anzumerken ist noch, dass Teile des Domschatzes
nach dem 2. Weltkrieg von einem kunstsinnigen Gi
unbemerkt per Feldpost nach Texas gelangten.

Erst nach dessen Tod 1980 war es möglich,
nach einem jahrzehntelangen Prozess 10 der 12 Stücke
wieder nach Deutschland retourniert zu bekommen.

Ein Bergkristallflakon und ein Reliquienkreuz
sind aber bis heute verschollen.



Bemerkenswert sind auch die Verzierungen, ...




... die sich in beiden Apsiden befinden.



Sowohl die Fensterrahmen ...



... als auch die Apsiskalotte sind rundherum dekoriert.



Diese Steinmetzarbeiten ...



... zeugen von großer Kunstfertigkeit, ...



... ebenso wie diese Verzierungen ...



... an den Pfeilern.




Hier ist auch noch dieses alte Rundbogenfenster
mit einer schönen Schmiedeeisenverzierung zu finden.



Vom Chor bietet sich ein guter Überblick
über diese wohl einzigartige Basilika.



Die Kapitelle und Kämpfer ihrer Säulen und Pfeiler ...



... sind mit reichhaltigem Skulpturenschmuck versehen ...



... wobei Pflanzen- ...


 
... und Tiermotive überwiegen, ...




... dabei besonders Adler.



Tiere sind auch das dominierende Motiv ...


 
... in den Friesen ...




... an den Obergaden.



Sowohl an den Außenwänden der Kirche ...


 
... als auch in der Ornamentik des Innenraumes ...



... sind starke lombardische Einflüsse zu erkennen.


 

Schlingmuster waren v.a. typisch für karolingische Zeiten
um das Jahr 800.



Diese Verzierungen hier ...



... sind wohl eine Weiterentwicklung davon.



An einigen wenigen Stellen sind noch Farbreste zu erkennen,
die gegenwärtig erst genauer untersucht werden.



Die Seitenschiffe ...



... sind ebenso schlicht mit Holz gedeckt ...



... wie das Mittelschiff, ...



... nur dass dieses und der Chor eine Kassettendecke haben.



In den Seitenschiffen sind wie in der Krypta Grabplatten
von ehemaligen Äbtissinnen ausgestellt.



Die Kirche wird heute vorwiegend
von der evangelischen Kirchengemeinde genutzt,
die im Sommer hier ihre Gottesdienste feiert.

Die katholische Gemeinde St. Mathilde begeht
am 14. März ihr Patronatsfest mit einem Gottesdienst.



Über dem Eingang zur Krypta ...



... sind Reste von Ausmalungen zu finden.



Seit dem Mathildentag am 14. März 2009 ist die Krypta,
die seit Herbst 2001 wegen Renovierung geschlossen war,
wieder geöffnet und kann
von bis zu 30 Besuchern stündlich wieder begangen werden.



Diese ist die Grabstätte des Königs Heinrich I.
und seiner Gemahlin Mathilde, ...



... deren Gebeine bis auf den heutigen Tag tatsächlich dort liegen.



Die Krypta ist erstaunlich groß ...



... und verfügt im Gegensatz zum Chor darüber
noch über zwei Nebenschiffe.


 

Im südlichen davon ist dieser romanische Taufstein aufgestellt.



Vom südlichen Seitenschiff der Krypta führt heute eine Treppe
zur sogenannten Wegekapelle St. Nicolai in Vinculis.



Diese entstand vermutlich vor 997 beim dritten Bau der Kirche,
ist aber nicht zu besichtigen.



Neben den wunderbaren, 
noch in Originalfarbe erhaltenen Kapitellen der Krypta ...



... stellt diese Confessio den ältesten Teil der Krypta dar,
sie liegt auch an die 1,5 m tiefer.



Bei der Umwandlung der Burganlage in das 936 gegründete Damenstift
wurde der Kirchenbau durch den größeren Bau II ersetzt.

In diesen wurde die sogenannte Confessio des Hl. Servatius eingebaut,
jedoch bald wieder zugeschüttet.

Erst im 19. Jhdt. wurde sie in der Form freigelegt,
wie sie heute hier zu sehen ist.



An den Wänden der Krypta befinden sich ...


 

... eine Reihe von Grabsteinen ehemaliger Äbtissinnen.



Hier einige Würfelkapitelle ...



... aus der Nähe.



Diese sind einem Buch ...



... über St. Servatius entnommen,
da in der Krypta das Fotografieren eigentlich verboten ist.

Grund dafür sei angeblich,
dass zu viele Besucher sich nicht daran halten könnten,
ohne Blitz zu fotografieren.




 An der Decke der Krypta befinden sich
relativ gut erhaltene und einzigartige Secco-Malereien.



 Eine umfangreiche Sanierung in den Jahren 2002 – 2009
sicherte diese ebenso kostbare wie einzigartige Deckenmalerei,
gleichzeitig wurde erstmals eine umfangreiche Beleuchtung integriert.



Diese Fresken stellen 
die Legende der frommen Susanna dar.

Im Folgenden eine Kurzübersicht 
über alle Fragmente der Malerei,
die Anfang des 20. Jhdts. erforscht und 
einzeln mit der Hand aufgezeichnet wurden.



Susanna war mit einem reichen Mann namens Johachim verheiratet,
dem u.a. auch ein Park mit einem Teich gehörte,
in dem Susanne gerne nackt badete.



Dabei wurde sie immer wieder heimlich
von zwei älteren Richtern beobachtet,
die sich bald in sie verschauten.



Eines Tages kamen beide aus ihrem Versteck 
hinter den Büschen hervor und wollten mehr von ihr,
was sie unter Androhung von Strafe 
und Verleumdung auch durchsetzen wollten.



Doch Susanna weigerte sich, blieb standhaft
 und riskierte so sogar ihr Leben.



Vor Gericht wurde sie schließlich ...



... von den beiden Richtern verleumdet.



Da trat der junge Daniel dazwischen und schlug vor,
die beiden alten Richter getrennt voneinander zu befragen.



Diese verstrickten sich alsbald in Widersprüche,
was die Unschuld Susannas bewies.



Daraufhin kam Susanna wieder frei
und die Richter wurden mit dem Tod bestraft.



Diese Szene zeigt wohl das glücklich wieder vereinte Ehepaar
mit seinem ersten Nachwuchs.



Auf den Secco-Malereien sind noch ...



... weitere Darstellungen zu finden ...



... wie hier die Speisung der 5.000 ...



... oder die Erweckung des Hl. Lazarus von den Toten.



Weiters noch die Darstellung 
der königlichen Tugend der Gerechtigkeit ...



... sowie das Bildnis eines Erzbischofs.



Im angrenzenden zweistöckigen Museum ...



... sind noch Reste von gestalteten Friesen zu finden.



Auch dieses Schlingmuster aus Stein ist hier ausgestellt.



Am kostbarsten sind aber
die Reste eines großen geknüpften Wandteppichs,
der mit seinen fast 5,6 x 7,4 m früher den Chor geschmückt hat.



Dieser ist von Agnes II. von Meißen,
die vor 1264 geboren und 1203 gestorben ist,
in Auftrag gegeben, dem Hl. Servatius gestiftet und
in über 20 Jahren Handarbeit auf dem Schlossberg angefertigt worden.



Fragmente davon sind erst ab 1832 als Fußmatten wieder aufgetaucht
und seit 2006 nach ihrer Restaurierung wieder zu besichtigen.

Hier oben der Versuch, die erhalten gebliebenen Stücke
in ein sinnvolles System zu bringen,
wobei neuere Theorien auch von zwei Teppichen ausgehen.



Der (oder die) Teppich(e) hatte(n)
das im Mittelalter weit verbreitete Lehrgedicht
"Von der Hochzeit Merkurs mit Philologia" zum Inhalt.



.Hier noch eine weitere Aufnahme davon.



Große Verehrung erfährt hier auch die Hl. Mathilde,
die Gattin Heinrichs I. und nach seinem Tod 936 ...



... die Gründerin und erste Äbtissin des Stiftes.



Hier noch eine Luftaufnahme des Komplexes.






Das ehemalige Stift und der Domschatz

sind ein absolutes Muss

für Romanik-Fans!




 

 





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