Donnerstag, 18. Februar 2016



Schweiz, Acquarossa (Tessin):
Kirche San Carlo beim Weiler Negrentino, 11. Jhdt.



Eine der schönsten romanischen Kirchen der Schweiz ...



... liegt auf 854 m unweit eines Riesenparkplatzes,
der für eine nahe Seilbahnstation errichtet wurde,
die anscheinend nur im Winter in Betrieb ist.



Doch um dorthin zu gelangen, ...



... muss man zuerst diese Schlucht überqueren.



Gott sei Dank gibt es seit Mai 2007 diese Hängebrücke darüber, ...




... die am besten vom Dorf Leontica aus zu erreichen ist.



Dann bietet sich diese wunderschöne und einzigartige Ansicht.



San Carlo ist doppelschiffig, 
obwohl beide Kirchenschiffe unter einem Dach zusammengefasst sind.



Im Südosten ist nachträglich eine eckige Sakristei angebaut worden.



Gleich neben der Sakristei befindet sich auch der kleine Zugang.



Eine große Überraschung hält die Ostseite bereit:



Gleich zwei Apsiden, wobei die rechte,
direkt auf den Felsen gebaute, die ältere ist.




Die kleinere, verputzte Ostapsis im Süden und ihr Kirchenschiff
sind vermutlich erst im 13. Jhdt. hinzugefügt worden.




Diese aus zwei verschiedenen Gesteinsarten ...



... und mit Blendsäulen und -friesen versehene Apsis ...


 

 ... gehörte bereits zum Apsidensaal aus dem 11. Jhdt.



Auf der rechten Seite des mittleren Fensters ....


 
... ist das Relief eines Pfaus, das Symbol des Lebens, angebracht.



Der Campanile im Norden ist leicht vom Kirchenschiff abgerückt
und stammt aus derselben Epoche wie das südliche Kirchenschiff.



Der Turm hat drei Reihen mit zweibogigen Fenstern.





Auf der talseitigen Ostseite sind oben die Kreuzwappen
des Bleniotals (links, mit schwörender Hand)
und der Leventina (rechts, mit segnender Hand) angebracht.

Überragt werden sie vom Urner Wappen,
das die Rechte des Kantons auf Prugiasco dokumentiert:
Das Bleniotal war bis 1798 Untertanengebiet der Alten Eidgenossenschaft.



Die Westseite von San Carlo ...



... ist vom Wetter verwittert und schmucklos.



Hier befindet sich der zweite, kleine Zugang zur Kirche.



Das so genannte Erbärmdebild und die Darstellung des Hl. Michael
oberhalb des südlichen Eingangsportals stammen aus dem 15. Jhdt.


 

 Im Inneren wird der flachgedeckte Raum
durch eine gemauerte Säule und zwei Bögen unterteilt.




Der Kirchenraum ist reich mit Fresken ...



... aus drei verschiedenen Epochen ausgeschmückt.




Die leuchtenden Malereien an der Nordseite des Kirchenschiffs ...



... und in der großen Apsis ...



 ... stammen vermutlich von Lombardo da Giubiasco (1453 – 1483)
und Cristoforo oder Nicolao da Seregno,
 deren Gegenwart um die Mitte des 15. Jhdt.
in Lottigna auf der anderen Talseite nachgewiesen ist. 



Die Maler könnten auf dem Weg 
über den Lukmanier-Pass in die Surselva gewesen sein, ...



... wo sie unter anderem die Kapelle St. Agatha in Disentis bemalten, 
die ebenfalls an der alten Straße über den Pass lag.



Das grosse Bild an der Nordwand zeigt den heiligen Ambrosius 
in der Schlacht von Parabiago zwischen den Heiligen Gervasius und Prothasius.



Von den beiden oben genannten Künstlern ...



... stammen auch ...



... diese ebenso farbenfrohen Heiligenbildnisse ...



 ... in den beiden Arkadenbögen.



Die Fresken im südlichen Schiff hingegen ...



... werden dem Tessiner Antonio da Tradate (ca.1465–1520) zugeschrieben, ...



... der auch in anderen Kirchen und Kapellen des Bleniotals und des Tessins
zahlreiche Fresken hinterlassen hat.



  
Seine Themen  ...






 
... sind dem Leben der Jungfrau Maria entnommen ...



 
... oder stellen Episoden aus den Apokryphen dar
(Texte, die nicht in den biblischen Kanon aufgenommen wurden), ...



... was in jener Zeit ungewöhnlich war.



Hier wohl zwei weitere Fresken desselben Künstlers.



Das älteste Bild eines unbekannten Künstlers, 
eine Darstellung der Himmelfahrt Christi vor den Aposteln 
über dem vermauerten Portal an der Westwand des alten Schiffes, 
stammt vermutlich aus der Mitte des 11. Jhdts.


Stilistische und technische Einzelheiten 
und der byzantinisch beeinflusste Stil der Gestalten ...



 ... zeigen eine Verwandtschaft mit den Fresken
der Basilica di San Vincenzo in Galliano
und mit San Pietro al Monte in Civate in der Lombardei.



San Carlo ist 1214 erstmals erwähnt worden
und 1942 – 1944 rundherum restauriert.



Bis 1610, dem Jahr der Heiligsprechung von Karl Borromäus, 
war sie Ambrosius von Mailand geweiht,
bis zum Beginn des 18. Jhdts. war sie die Pfarrkirche von Prugiasco.



Die Schlüssel zur Kirche sind übrigens bei allen Restaurants 
in Acquarossa und Leontica oder bei Blenio Turismo in Olivone erhältlich.




 
San Carlo

ist ein absolutes Muss für Romanik-Fans!








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